AG 60plus: „Bevölkerungsentwicklung in den nächsten 30 Jahren“

Über welche politischen Konzepte müssen wir schon heute vorausschauend nachdenken?
Zu diesem Bereich hatte die AG 60 plus für den 23. September 2022 Herrn Frank Micheel vom Bundesinstitut für Bevölkerungsentwicklung eingeladen.

In seinem Vortrag über die Demografie-Forschung berichtete er von den bevölkerungsrelevanten Parametern: Geburtsraten, Sterbeentwicklung und Migration. Die Entwicklung dieser Faktoren ist jedoch nicht geradlinig, sondern zeigt oft starke regionale Ausprägungen. Sie werden von nicht planbaren Ereignissen, etwa der Corona-Pandemie, Fluchtbewegungen, kriegerische Auseinandersetzungen und Naturkatastrophen, mitbestimmt.

Beispielsweise die Bevölkerung der ehemaligen DDR ist heute relativ „alt“, u.a., weil viele junge Menschen, vor allem Frauen, in die westliche Bundesrepublik abgewandert sind. Auffällig ist auch die abrupte Halbierung der Geburtenzahl im deutschen Osten nach der Wende.
Für Wiesbaden dagegen ergibt die Bevölkerungsprognose 2016 –  2035 einen Zuwachs von 14.000 Menschen.

In der Wirtschaft gibt es einen Wandel im Altersbild, so Frank Micheel. Früher galt die Vorstellung vom vorwiegend „defizitären“ Alter. Diese  wurde  inzwischen von einer anspruchsvolleren Sicht abgelöst:
Jüngere: schnelle und quantitativ größere Leistung, aber dabei gleichzeitig fehlerreicher,
Ältere:  geringere Leistungsmenge, aber mehr Qualität und weniger Fehler.
Wenn immer wieder die Erhöhung des Renteneintrittsalters gefordert wird, gibt es im Gegenzug keine positiven Vorschläge für die Nutzung der speziellen Qualitäten der Älteren. Entsprechende Schlussfolgerungen hierzu fehlen im Koalitionsvertrag der Ampel auf Bundes-Ebene, aber auch im Koalitionsvertrag in Wiesbaden.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Ehrenamtsarbeit. Für Wiesbaden wurde ein Sinken des ehrenamtlichen Engagements von 2009 bis 2016, auch in den höheren Altersgruppen, festgestellt. Dabei gleichen die ehrenamtlich Aktiven oft die personellen Mängel im Sozialbereich kostensparend aus. Die Bedingungen für ehrenamtliche Arbeit haben sich jedoch im Laufe der letzten Jahre weiter verschlechtert. Die Ehrenamtlichen müssen zunehmend verschiedene Kosten selbst tragen – Fahrtkosten, Materialaufwand, Einsatz von Freizeit.
Daher fordert die AG 60plus mehr Unterstützung durch die Politik. Auch der kategorische Ausschluss ab 70 Jahren beim Schöffenamt ist nicht nachzuvollziehen. Der höhere Anteil der Älteren bringt auch den stärkeren Anspruch auf digitale Schulung, Zugang und Ausstattung für die Ehrenamtsarbeit mit sich.